Vica Mitrovic
über sein Jahr als St.Galler Stadtparlamentspräsident.
Matthias Rickli
Matthias Rickli, Leiter der Sans-Papiers Anlaufstelle St.Gallen, spricht über die Bedeutung von Solidarität, die Herausforderungen im Alltag von Sans-Papiers und welche Wege es gibt, um ihre Rechte zu stärken.
Ausweis Die Situation von Sans-Papiers bleibt auch in der Ostschweiz ein dringliches Thema. Kürzlich sorgte eine Protestaktion in St.Gallen für Aufmerksamkeit. Matthias Rickli, Leiter der Sans-Papiers Anlaufstelle St.Gallen, ordnet die Aktion ein, spricht über die Lebensrealität Betroffener und zeigt auf, was Politik und Gesellschaft tun können, um Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus zu unterstützen.
Herr Rickli, sind Sie oder Ihre Organisation an der Protestaktion rund um den Stern 027 beteiligt?
Nein, wir wurden von der Aktion am Donnerstagmorgen überrascht und hatten keinerlei Kenntnis davon.
Wie bewerten Sie die Aktion? Kann sie das Bewusstsein für Sans-Papiers schärfen?
Wir setzen uns für die Interessen und Stimmen von Sans-Papiers ein und versuchen, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Aufmerksamkeit ist wichtig, und in diesem Fall scheint das mediale Echo dies erreicht zu haben. Allerdings legen wir als Anlaufstelle Wert auf sachliche Formen, die zum Nachdenken einladen und Inhalte in den Vordergrund stellen.
Wie reagieren Betroffene selbst auf solche symbolischen Aktionen?
Ich kann nicht für andere sprechen, aber wenn Solidarität und Verständnis vermittelt werden, stelle ich mir vor, dass es ermutigend sein kann.
Welche Herausforderungen erleben Sans-Papiers in St.Gallen konkret?
Viele Grundrechte sind für sie nicht zugänglich – sei es die medizinische Versorgung, das Recht auf Bildung für Kinder oder Opferschutz. Sie sind oft von Unterstützung aus ihrem Umfeld abhängig, was zu Abhängigkeiten und einer verletzlichen Lebenssituation führt. Leider gehören physische und psychische Gewalt, Machtmissbrauch und sogar Menschenhandel zur Realität vieler Sans-Papiers.
Wie stehen Sie zur Forderung nach einer CityCard für St.Gallen?
Die CityCard wäre ein wichtiger Schritt. Sie würde allen Menschen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – Zugang zu grundlegenden Rechten ermöglichen und sie stärker in das gemeinschaftliche Leben einbinden.
Welche Massnahmen wären nötig, um die Lebenssituation von Sans-Papiers nachhaltig zu verbessern?
Die Rechte von Sans-Papiers müssen gestärkt werden. Sie leben, wohnen und arbeiten hier und leisten einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft. Leider fehlt ihnen oft das Nötigste, und ihre Lebenssituation ist aktuell besonders prekär. Aber: Sans-Papiers verdienen unsere Solidarität.
Was raten Sie Bürgerinnen und Bürgern, die sich für Sans-Papiers einsetzen möchten?
Alle können etwas tun, sei es im Alltag, in der Politik oder in persönlichen Begegnungen. Es geht darum, Hürden abzubauen und Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen.
Sehen Sie eine wachsende Sensibilität für das Thema?
Ja, definitiv. Vor der Gründung unserer Anlaufstelle vor über sechs Jahren glaubten viele, es gebe kaum Sans-Papiers in der Ostschweiz. Inzwischen hat sich ein Bewusstsein entwickelt, und wir erleben positive Veränderungen – etwa, wenn ein Kind eingeschult wird oder eine medizinische Behandlung ermöglicht wird.
Interview von Benjamin Schmid
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