Markus Tanner
Seit 150 Jahren leistet der STV Wittenbach einen Mehrwert.
Ruedi Blumer, Präsident VCS SGAP. z.V.g.
Am 24. November wird über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen abgestimmt. Die Vorlage umfasst sechs Teilprojekte in diversen Regionen. Die Projekte sollen Engpässe beseitigen und den Verkehrsfluss verbessern. Die Gegner der Abstimmungsvorlage sehen andere Möglichkeiten als zielführender an.
Verkehr Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) engagiert sich zusammen mit Hunderten von Verkehrsexperten und über 30 Parteien und Organisationen für ein Nein zum Autobahnausbau am 24. November. Der Autobahnausbau würde – auch fürs Appenzellerland – statt Entlastung noch mehr Verkehr und Stau verursachen. Ruedi Blumer, Präsident des VCS Sektion St. Gallen/Appenzell, erläutert, weshalb in seinen Augen ein Ausbau kontraproduktiv ist. «Wir haben uns für das Referendum engagiert, da es die Gelegenheit bietet, den Teufelskreis zu durchbrechen. Entstehen mehr Strassenkapazitäten, führt das immer zu noch mehr Verkehr von der Autobahn bis ins Quartier, da keine Autofahrt auf der Autobahn beginnt oder endet. Das ist seit Jahrzehnten eine ewige Spirale, die wir stoppen möchten», sagt Blumer. Damit stünden sie nicht allein da. Landwirte würden nicht immer noch mehr Land hergeben wollen, die Städterinnen und Städter wären froh, wenn die Gäste und Werktätigen von ausserhalb häufiger mit dem ÖV anreisen würden. «Wir wollen die Autos nicht verbannen, das wäre unrealistisch. Wir müssen aber neue Lösungen finden, um die Umwelt nicht immer noch mehr kaputt zu machen. Es gilt, die bestehenden Autobahnen zu unterhalten», so Blumer. Das allein sei schon ein grosser finanzieller Aufwand von 1,2 Milliarden pro Jahr, aber notwendig.
Die Befürworter sagten an der Medienkonferenz, das Appenzellerland würde nachhaltig von einem Ja der Vorlage profitieren – es gebe, sollte der Liebegg-Tunnel realisiert werden, weniger Staustunden und die Situation in den Gemeinden und Städten würde sich verbessern, da Ausweichverkehr verhindert werde. Das sieht Blumer beziehungsweise der VCS gegenteilig. «Mit dem Liebegg-Tunnel wäre die Situation auf der Strasse für die Hälfte des Appenzellerlandes wieder attraktiver. Jene, die heute mit dem ÖV oder Velo die Situation umgehen, würden teilweise wieder auf das Auto umsteigen und man hat die Stau-Problematik in einigen Jahren genau gleich wieder», ist Blumer sicher. Es sei wissenschaftlich bewiesen, dass zusätzliche Kapazitäten genutzt werden. «Ergo: Ist das Angebot attraktiver, entsteht mehr Verkehr», sagt Blumer. Mit einem Nein zur Vorlage sei es aber längst nicht getan. Das ÖV-Angebot müsse attraktiver und flexibler werden, zudem brauche es ein gutes Velonetz. «Die Velowege im Appenzellerland sind nicht gut ausgebaut. Und je nach Gemeinde fahren Busse oder Züge derzeit nur im Stundentakt. Das muss sich verbessern», meint Blumer.
Bei einem Nein zum Ausbauschritt würde es keine dritte Röhre durch den Rosenberg mit Zubringer Güterbahnhof in St.Gallen geben. Könnte die Verkehrsüberlastung der Teufenerstrasse anders gelöst werden? Laut Blumer und VCS schon. «Die Appenzeller Bahnen fahren bereits jetzt im 15-Minutentakt. Natürlich hat der Zug auch nur beschränkt Platz. Es müssten aber lediglich zehn bis zwanzig Prozent auf den ÖV, Mitfahrgelegenheit oder das Velo wechseln, dann wäre das Problem behoben», erklärt Blumer.
Das wäre etwa jeder Fünfte. Man habe für die Appenzeller Bahnen schon einen Tunnel gebaut. Es gelte, dieses Angebot nicht durch den Liebegg-Tunnel zu torpedieren. Die steigenden Preise im öffentlichen Verkehr stellten dagegen ein Problem dar. «Das Autofahren ist über die Jahre immer billiger geworden, der ÖV immer teurer. Das ist eines der Grundprobleme – fliegen ist oft günstiger, als mit dem Zug zu reisen. Das muss sich ändern», betont er.
Einige Städte hätten mit gut ausgebauten Velowegen bereits einiges erreicht, andere Länder wie Holland seien viel weiter. «Städte und Länder, die in der Fläche liegen, haben sicher einen Vorteil. Aber seit es E-Bikes gibt, ist kupiertes Gelände keine Ausrede mehr», meint Blumer. Die Befürworter sehen bei einem Nein die Gefahr, dass der Liebegg-Tunnel wie auch die Umfahrung Herisau nicht mehr realisiert werden könnten. «In meinen Augen ist das Angstmacherei und völlig falsch, gerade was die Umfahrung Herisau betrifft. Diese kann auch realisiert werden, wenn das Stimmvolk Nein sagt». Das Astra hat für die Umfahrung drei Lösungsvarianten vorgestellt, wobei eine, so Blumer, sehr unrealistisch sein dürfte: jene eines Zubringers Appenzellerland. «Der VCS ist für die Variante der Kurzumfahrung Wilen. Diese ein Kilometer lange Umfahrung – davon 800 Meter Tunnel – brächte eine sehr starke Entlastung des zentralen Abschnitts der Alpsteinstrasse vom Bahnübergang bis zur Langelenstrasse», so Blumer. Bei Umfahrungen gelte: je kürzer, desto mehr Wirkung werde erzielt. «Ist eine Umfahrung zu lang, wird sie oft nicht genutzt, da vielleicht etwas auf dem Weg liegt, das dann nicht zu erreichen ist. Ausserdem wäre die kurze Variante vergleichsweise schnell realisierbar und mit 160 Millionen fürs Astra günstig», sagt Blumer.
Unter dem Strich finden Blumer und der VCS, dass es viele Massnahmen gibt, die eine Verbesserung herbeiführen würden. Nebst attraktiverem ÖV und ausgebauten Velowegen gäbe es die Möglichkeit von Home-Office, Mitfahrgelegenheiten und Arbeitgeber, die Anreize schaffen könnten. «Es gibt Firmen wie die Bühler AG in Uzwil, welche nachhaltiges Mobilitätsverhalten fördern, indem sie ihren Mitarbeitenden keine Gratisparkplätze mehr zur Verfügung stellen, dafür sehr günstige ÖV-Abos und Velos/E-Bikes», sagt Blumer. Jene, welche die Rush-Hour vermeiden können, sollten dies tun und jenen den Vortritt lassen, die zu dieser Zeit zur Arbeit fahren müssen. Solche Lösungen seien sofort umsetzbar und würden fast nichts kosten. «Ausser dem Überwinden einer platzverschwenderischen Gewohnheit», so Blumer.
Stefanie Rohner
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