Markus Tanner
Seit 150 Jahren leistet der STV Wittenbach einen Mehrwert.
Wer sich den Alltag in einer Strafanstalt vorstellt, denkt oftmals in Klischees, die sich in der Gesellschaft hartnäckig halten. Nachdem Direktor Urs Schindler die Abläufe erläutert hat, erzählt eine Insassin, wie für sie der Alltag in der Strafanstalt aussieht.
Gmünden Ein Zimmer, ausgestattet mit zwei Sofas, einem Tisch und einem Fernseher: Es ist das gemeinsame Fernsehzimmer, wo die Insassinnen manchmal zusammenkommen, abends, wenn die Arbeit erledigt ist. Dort treffen die Herisauer Nachrichten auf j.C (Name der Redaktion bekannt). Ein breites Lächeln, lange Haare und eine modische Brille. J.C kommuniziert offen über ihre Strafe und den Alltag, den sie in der Strafanstalt Gmünden erlebt. «Ich bin seit sieben Monaten hier in Gmünden. Im ersten halben Jahr arbeitete ich hier als Putzkraft. Jetzt arbeite ich in der Küche.» Nach den ersten zwei Monaten durfte J.C die Strafanstalt das erste Mal für einige Stunden verlassen. Da ihr Wohnort weiter weg ist, ging sie dann meist nach St.Gallen, wo sie ihre Eltern und ihren Sohn trifft. «Er lebt derzeit bei meinen Eltern. Wenn ich Urlaub habe, der 32 Stunden dauert, gehe ich aber nach Hause», sagt J.C. Die Anreisezeit wird – je weiter jemand weg wohnt – nicht von der Urlaubszeit abgezogen. «Das finde ich sehr grosszügig», so die Insassin. Sie kann ihre Eltern und ihren zehnjährigen Sohn zu den Besuchszeiten, aber auch in der Strafanstalt empfangen. «Ich finde,die Zuständigen machen sehr viel für uns. Ausserdem begegnen sie uns mit Respekt, auf Augenhöhe und achten darauf, wie es uns geht», sagt J.C. Natürlich sei der Alltag in der Strafanstalt kein Ponyhof – verstosse man gegen die Regeln, gäbe es Sanktionen. «Es gelten für alle genau dieselben Regeln. Und wer sich benimmt, wird in Ruhe gelassen», sagt J.C. Sie hat sich gut in den Alltag der Strafanstalt eingefunden, musste noch nie eine Sanktion in Kauf nehmen.
Mit den anderen Frauen im Trakt komme sie gut zurecht. «Ich betreibe draussen ein Beautygeschäft und arbeite zudem als Betreuerin im Sozialbereich. Daher bringt mich nichts so leicht aus der Ruhe – und auch mit Leuten mit Suchtproblematik kann ich gut umgehen, da ich mit ebensolchen gearbeitet habe. Andere, die das nicht kennen, haben zu Beginn vielleicht eher Mühe damit und mit der zusammengewürfelten Gruppe», sagt sie. Jeder habe zu kämpfen und habe seinen Rucksack zu tragen. «Ich muss damit klarkommen, dass ich nicht bei meinem Sohn sein kann. Ihn vermisse ich am meisten», sagt die Insassin. Schlussendlich befänden aber alle im selben Boot. In der Küche, ihrer Arbeitsstätte, laufe immer viel, es werden diverse Sprachen gesprochen und man ist den gesamten Tag nie allein. «Das macht mich schon müde», sagt J.C und lacht. Deshalb sei sie abends froh, in ihrer Zelle lesen oder stricken gehen zu können. Einen Teil ihrer Freizeit verbringt sie aber auch mit den anderen Insassinnen. «Wir sind entweder draussen im Hof, gehen in den Fitnessraum oder spielen Kartenspiele. Ich verstehe mich mit fast allen, mit so vielen zusammen zu leben ist aber schon eine Herausforderung», sagt sie. Ab und an komme es schon zu Streitigkeiten, das sei aber normal. «Viele haben auch psychische Schwierigkeiten – alle versuchen aber ihr Bestes und sind solidarisch miteinander», sagt sie. Es brauche Mitgefühl und Geduld.
Die meisten Insassinnen und Insassen sind nicht viel länger als ein Jahr inhaftiert. J.C verbüsst eine Strafe von zwölf Monaten. Ihre Geschichte, die sie nach Gmünden brachte, beginnt 2016. «Damals habe ich mit meinem Ex-Mann eine GmbH betrieben. Er betrieb ein Schneeballsystem und betrog so die Leute», erzählt sie. Weshalb ist aber sie inhaftiert und nicht ihr Ex-Mann. Sie sagt: «Er ist abgehauen und da wir verheiratet waren und die GmbH unter meinem Namen lief, wurde ich zur Rechenschaft gezogen», meint sie. J.C. meint, das Gericht sei in ihren Augen sehr streng gewesen. «Ich könnte den Fall nochmals öffnen lassen, da er inzwischen zurück ist. Aber das würde nicht bedeuten, dass ich früher herauskomme. Diese Verfahren dauern lange», sagt J.C. Zudem handle es sich bei ihrem Ex-Mann um den Vater ihres Sohnes. «Er soll sich selbst eine Meinung bilden, wenn er genug alt ist. Ich weiss, dass der liebe Gott und das Karma existieren – deshalb verliere ich nie ein schlechtes Wort über meinen Ex-Mann. Da mein Sohn bei meinen Eltern so gut aufgehoben ist, kann ich immer noch ruhig schlafen», sagt sie. Ihr gesamtes Umfeld sei erstaunt gewesen, als sie von der Inhaftierung hörte und stehe nach wie vor hinter ihr. Um einen Job muss sie sich nach der Haft ebenfalls keine Sorgen machen, da sie selbstständig ist und ihren Job als Betreuerin ebenfalls wieder erhält.
In ihrer Zeit in Gmünden habe sie gelernt, geduldiger zu sein und mehr Verständnis für Menschen aufzubringen. Mit dem Kopf, so J.C., sei sie nicht im Gefängnis, sondern draussen, jenseits der Gitterstäbe. Das helfe ihr, zurecht zu kommen. Auch wenn sie sehr gut zurecht kommt, so freut sie sich ungemein auf die Zeit nach der Haft. «Das erste, was ich machen möchte, sind Ferien mit meinem Sohn, am liebsten in Bali», sagt sie und lacht. Nebst ihrem Sohn gibt es ganz alltägliche Sachen, die sie vermisst und sich darauf freut. «Zum Beispiel mein Handy», sagt sie und lacht. Wahrscheinlich, vermutet sie, sei es die ersten Tage zu Hause dann relativ ruhig im Vergleich. «Einige der Frauen werden mir ausserdem sicher fehlen.»
Stefanie Rohner
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